Predigtwerkstatt
Die „Predigtwerkstatt“ ist ein Angebot der Abteilung „Praktische Theologie / Homiletik“ der Theologischen Hochschule Friedensau. Es setzt die gleichnamige Reihe der Zeitschrift DIALOG fort.
In vierteljährlichem Abstand werden Predigtideen präsentiert: Es werden verschiedene Predigttypen vorgestellt, Gliederungen vorgeschlagen und Literaturhinweise gegeben.
Haupt- und ehrenamtliche Prediger/innen sollen dadurch ihre Predigtkompetenz erweitern, Ideen und Anregungen bekommen und Mut zum kreativen Predigen finden.
Kommentare und Rückmeldungen sind erwünscht!
Prof. Dr. phil. Roland E. Fischer
Dipl.-Theol.
Rektor
Telefon: +49 (0) 3921 916-131
Fax: +49 (0) 3921 916-201
E-Mail:
An der Ihle 5 A
39291 Möckern-Friedensau
Eine Adventspredigt
Adventspredigt
Vorbemerkung:
Das Kirchenjahr und die kirchlichen Feiertage finden in der adventistischen Tradition und Liturgie wenig Berücksichtigung. Doch die großen Feste wie Ostern oder Weihnachten erfahren mehr und mehr Aufmerksamkeit und schlagen sich auch öfter in Predigtthemen nieder. So kann es auch sinnvoll sein, an einem der Sabbate in der Adventszeit eine Adventspredigt zu halten. Die Adventszeit eröffnet (nach dem Totensonntag) das neue Kirchenjahr und dient der Einstimmung und Vorbereitung auf Weihnachten.
Adventszeit – Zeit des Wartens
Einleitung:
Worauf warten wir? Wen erwarten wir? Was erhoffen wir?
- Veränderung unserer gegenwärtigen Lage?
- Ausweg aus den Krisen dieser Welt?
- Perspektiven für die Zukunft
- Weitere Beispiele
Hauptteil:
Vor über 2500 Jahren war die Gemeinde Gottes, das Volk Israel, in einer schier ausweglosen Lage: Missstände, Unterdrückung, Bedrohung. Hier hat der Prophet einen Traum, eine Vision:
Jesaja 11,6–9
Ein schöner Traum, geradezu paradiesische Zustände, eine Utopie!? Das Volk begann, daran zu glauben, zu warten und zu hoffen. Der Prophet wird konkreter, wie und durch wen diese paradiesischen Zustände herbeigeführt werden sollen:
Jesaja, 11,1–5
Als Christen glauben wir, dass sich diese Ankündigung durch Jesus von Nazareth erfüllt hat. Er war Nachfahre Isais und Davids, auf ihn war der Geist Gottes gekommen, er richtete Recht und Gerechtigkeit auf. Die Adventszeit deutet hin auf das erste Kommen Jesu in diese Welt, wo er diese Erwartungen erfüllt hat.
Doch halt! Wo sind denn diese paradiesischen Zustände? Doch nur eine Utopie? Noch sind Ungerechtigkeit und Unfrieden um uns herum – und auch in uns drin. Warten wir nicht doch noch? Beim Bibellesen fällt uns auf, dass viele Verheißungen des Jesaja in der Offenbarung, dem letzten Buch der Bibel, wiederholt werden:
Offenbarung 21,3–5
Diese Zukunftsvision steht im Zusammenhang mit dem zweiten Kommen Jesu in diese Welt, mit seiner Wiederkunft. Als Christen glauben wir, dass mit dem ersten Kommen Christi auf diese Welt vor 2000 Jahren das Reich Gottes angebrochen ist. Mit dem zweiten Kommen Christi in diese Welt wird es vollendet.
Schluss:
Ja, wir warten noch, wir erwarten ihn, unsere Hoffnung wird erfüllt werden. Adventszeit ist auch Wartezeit auf das zweite Kommen Jesu.
Dr. Roland E. Fischer, Professor für Praktische Theologie, ThHF
Die Heilung des Gelähmten
Aus anderer Perspektive betrachten
Die letzte Ausgabe des DIALOG steht unter dem Thema „Perspektiven“ und daher schließt sich die Predigtwerkstatt diesem Thema an.
Es gibt einen Predigtstil, der insbesondere bei Erzähltexten die verschiedenen Perspektiven der beteiligten Personen aufgreift und in der Predigt anwendet. Dies soll hier exemplarisch an einer Erzählung aus den Evangelien aufgezeigt werden.
Markus 2, 1–12: Die Heilung des Gelähmten
Die an dieser Geschichte beteiligten Personen bzw. Personengruppen sind der Gelähmte, seine Freunde (die Träger), die Schriftgelehrten, das Volk und natürlich Jesus.
In einem ersten Schritt wird die Perspektive der jeweiligen Personen(-gruppen) auf das ganze Geschehen beschrieben. Das geschieht in der 1. Person Singular oder Plural, also als Ich- oder Wir-Erzählung. Es ist eine herausfordernde und auch reizvolle Aufgabe für den Prediger, sich in die jeweiligen Beteiligten hineinzudenken. Kenntnisse der damaligen soziokulturellen Gegebenheiten können das erleichtern.
In einem zweiten Schritt werden die Predigthörer eingeladen, sich mit den jeweiligen Personen zu identifizieren. Was finden sie gut, was stößt sie ab? Was würden sie übernehmen, was möchten sie ablehnen? Welche geistlichen Impulse, welche Handlungsaufforderungen greifen sie auf?
Eine Identifikation mit der Person Jesu ist eher nicht empfehlenswert. Zum einen mag es für viele Gläubige emotional schwierig sein, sich mit Person und Rolle Jesu zu identifizieren und zum andern ist vieles an seinem Verhalten nicht auf uns übertragbar (Sündenvergebung; Heilungen).
Beispiel: Die Freunde des Gelähmten
Als Beispiel für die Perspektive der Beteiligten an dieser Geschichte und eine mögliche Übertragung auf die Hörer sollen nun die Freunde des Gelähmten, die Träger, dienen. Entsprechend kann dann mit den anderen Personen(-gruppen) verfahren werden.
Die Perspektive der Träger
Unser Nachbar ist gelähmt, er ist hilflos. Manchmal muss er betteln für seinen Lebensunterhalt. Wir helfen ihm ab und zu, stützen oder tragen ihn ein Stück. Jetzt hat er von Jesus von Nazareth gehört und will unbedingt zu ihm. Er ist in einem Haus in Kapernaum. Dahin ist es nicht weit. Aber unser Freund kann nicht alleine zu ihm, er braucht Menschen, er braucht uns. Wir haben auch von Jesus gehört, wir haben ihn sogar schon gesehen und erlebt. Ja, er kann bestimmt unserm Nachbarn helfen. Es lohnt sich, zu ihm zu gehen. Wir tragen ihn hin.
Doch was ist das? Das ganze Haus ist überfüllt, selbst vor dem Haus steht eine Menschenmenge. Es ist zum Verzweifeln! So dicht an Jesus und doch so weit von ihm entfernt. Wir geben nicht auf, uns fällt schon was ein. Wer zu Jesus kommen will, findet immer einen Weg. Wir gehen über’s Dach. Jesus wird ihm sicher helfen, wir vertrauen darauf. Da lohnt sich jede Mühe. Wir legen den Gelähmten vor die Füße Jesu, damit ist unsere Aufgabe getan. Dann können wir wieder gehen, Jesus wird sich um ihn kümmern.
Doch schau! Jesus blickt nach oben, er sieht uns an. Er nickt uns freundlich zu. Er anerkennt unseren Dienst, er bestätigt uns. Das macht uns Mut.
Anwendung auf die Predigthörer
Können wir uns mit den Trägern identifizieren? Sind wir Träger, Helfer, Unterstützer? Da sind Menschen um uns herum, die Hilfe brauchen – körperliche, seelische, geistliche Hilfe – vielleicht wollen sie zu Jesus? Das wäre schön, wenn Menschen Hilfe brauchen, zu uns kommen und sagen: ich möchte zu Jesus! Wir würden sie gerne zu Jesus bringen – aber der Text sagt uns nicht, dass der Gelähmte zu Jesus wollte. Nicht alle, denen wir begegnen, wollen zu Jesus; aber wir ahnen und wissen, dass sie Jesus brauchen. Sie kommen nicht allein zu Jesus, sie brauchen uns! Menschen zu Jesus zu führen, ist oft nicht leicht. Der Mensch selbst kann (oder will) nichts dazu tun oder andere Hindernisse sind im Weg: andere Menschen, Wände, Dächer – was können wir tun? Wir brauchen Mut und Fantasie: Fantasie für kreative und ungewöhnliche Wege; Mut, Ungewöhnliches und Unkonventionelles zu tun, zum Beispiel durch die Decke zu gehen. Jesus benennt diesen Weg mit „Glauben“ – „Glauben, der durch die Decke geht“. In Mission und Diakonie brauchen wir Fantasie, Mut und Einfühlungsvermögen. Zitat von Ellen G. White: „Allein die Vorgehensweise Jesu wird Erfolg bringen in dem Bemühen, Menschen zu erreichen. Der Heiland mischte sich unter die Leute als einer, der ihr Bestes wollte. Er zeigte ihnen sein Mitgefühl, diente ihren Bedürfnissen und gewann ihr Vertrauen. Erst dann lud er sie ein: Folgt mir nach.“
Schluss
Der Schluss sollte auf jeden Fall den Blick auf Jesus lenken, auf sein Verhalten in dieser Geschichte. Er zeigt seine Vollmacht und göttliche Autorität, wie er mit dem Gelähmten spricht und handelt. Er anerkennt und wertschätzt den Glauben der Träger. Er ist im Mittelpunkt und der Herr dieses Geschehens.
Dr. Roland E. Fischer, Professor für Praktische Theologie
Themapredigt zu Ostern
Die Bedeutung des Ostersabbats
In manchen Adventgemeinden finden am Karfreitag und/oder am Ostersonntag Andachten oder Gottesdienste statt. Dabei wird natürlich auf die entsprechenden Heilsereignisse (Tod und Auferstehung Jesu) Bezug genommen. In jedem Fall findet ein Gottesdienst am Sabbat statt, und deshalb ist es reizvoll, in der Predigt auf die besondere Bedeutung des Ostersabbats einzugehen. Der folgende Entwurf (Gliederung mit Bibeltexten und Stichpunkten) kann verwendet und ausgebaut werden.
Einleitung
Warum ist Jesus am Freitag gestorben und am Sonntag auferstanden? Und vor allem: Warum ist er am Sabbat im Grab geblieben?
Hauptteil
- Zeichen des Jona: Matthäus 12, 38–40
„Drei Tage und Nächte“ oder „am dritten Tag“ (und ähnliche Formulierungen) finden sich 14-mal im Neuen Testament. Zeichen des Jona ist Begrabenwerden und wieder Herauskommen; Tod und Auferstehung sind das Zeichen des Menschensohnes. Bedeutung der Zahl 3: Zahl der Ganzheit (Dreieinigkeit; drei Dimensionen des Raumes und der Zeit; drei Führer des alttestamentlichen Gottesvolkes; drei Jünger als engste Vertraute Jesu). Drei bedeutet Ganzheit und Vollkommenheit der Erlösung. Sabbat als vollständiger Tag zwischen Karfreitag und Ostersonntag hat somit eine wichtige Bedeutung.
Der Ostersabbat gehört zum Zeichen (Zeichen des Jona), an dem der Messias erkannt wird.
- Ruhe der Erlösung: Hebräer 4, 3a.4.9.10
Gott vollendete die Schöpfung an einem Sabbat (1. Mose 2,2), das heißt, die Ruhe am Sabbat war die Vollendung der Schöpfung. Die Erlösung (Neuschöpfung) wurde auch durch die Ruhe (Jesu im Grab) vollendet. Sabbatruhe ist ein Zeichen der vollkommenen Erlösung. So wie Gott nach der Schöpfung am Sabbat ruhte, so wie Jesus nach seinem Erlösungswerk am Sabbat (im Grab) ruhte, so ruhen auch die Erlösten von ihren Werken: Hebr 4, 3a.4.9.10.
Der Ostersabbat ist das Zeichen für die Ruhe nach dem vollendeten Erlösungswerk.
- Bedeutung für Jünger und Jüngerinnen: Lukas 23,56b
Zunächst: Die Ruhe Jesu im Grab ermöglichte auch den Jüngern die Einhaltung der Sabbatruhe. Mehr noch: Die Geschehnisse am Karfreitag hatten die Jünger schockiert und tief verunsichert. Die Ereignisse am Ostersonntag sollten sie ebenfalls aufwühlen und überraschen. Die Jüngerinnen und Jünger brauchten die Ruhe am Sabbat zum Stillewerden, Nachdenken und Verarbeiten.
Tod und Auferstehung Jesu stehen symbolhaft für unsere Bekehrung, das Absterben des alten und Auferstehen des neuen Menschen (siehe Röm 6). Auch bei solchen Veränderungsprozessen ist Innehalten, Ruhe und Stille nötig.
Der Ostersabbat ist ein Zeichen für die Ruhe vor dem Neuanfang.
Schluss
Gott ruhte am siebten Tag, nachdem er sein Schöpfungswerk vollbracht hatte (1. Mose 2,2b).
Jesus ruhte am siebten Tag, nachdem er sein Erlösungswerk vollbracht hatte (Joh 19,30b).
Dr. Roland E. Fischer, Professor für Praktische Theologie, ThHF
Der Predigtaufbau
Die Hummel
Wenn man eine Predigtidee hat, ein Thema oder einen Textabschnitt gefunden hat, stellt sich die Frage nach der Form beziehungsweise dem Aufbau der Predigt. Dazu gibt es freilich eine Menge verschiedener Konzepte und Modelle. Hier soll kurz ein Schema vorgestellt werden, das sich mit einer Hummel und ihren verschiedenen Körperteilen veranschaulichen lässt:
1. Kopf – Einleitung
2. Körper – Ausführung
3. Beine – Zusätzliches Material, Erklärungen
4. Flügel – Illustrationen
5. Stachel – Anwendung, Ziel
1. Einleitung (Kopf)
Die Einleitung einer Predigt erfüllt einen mehrfachen Sinn: Sie soll …
- … den guten Willen des Zuhörers sichern.
- … Interesse für das Thema wecken.
- … die Konzentration der Hörer gewinnen.
- … eine positive Haltung gegenüber dem Verkündiger fördern.
- … dem Verkündiger einen motivierenden Start ermöglichen.
2. Ausführungen (Körper)
Die Predigt hat die Aufgabe, einen biblischen Text Abschnitt für Abschnitt auszulegen. Klassischerweise heißt das explicatio und applicatio, Erklärung und Anwendung. Die Hauptaussage eines Textes oder Abschnitts, einer Perikope oder eines Gleichnisses, wird zum Gegenstand der Predigt. Das geschieht, indem der Text erklärt, veranschaulicht und auf den Hörer angewendet wird. Hier kommt dann die erarbeitete Predigtgliederung zur Geltung. Unter jedem Punkt der Gliederung wird ein bestimmter Abschnitt des Predigttextes ausgelegt.
3. Erklärungen (Beine)
Damit eine Predigt lebendig wird, muss der biblische Text möglichst ansprechend erklärt werden. Dazu dienen Erklärungen und Definitionen, Tatsachen und Sachinformationen, Umformulierungen und Wiederholungen (mit ähnlichen Worten), Beschreibungen und passende Zitate. Hilfreiches Material dafür findet man in Bibellexika oder Bibelkommentaren.
4. Illustrationen (Flügel)
Illustrationen, Geschichten, Bilder, Metaphern verleihen der Predigt ‚Flügel‘, lassen sie leicht und schwebend erscheinen, lassen die Zuhörer ‚nach oben‘ schauen. Mögliche Formen der Illustration sind: ein Beispiel, eine persönliche Erfahrung, ein Vergleich, ein Bild, eine Analogie, ein Symbol, eine verbale Veranschaulichung, eine technisch-akustische Veranschaulichung (z.B. eine Liedeinspielung), eine optische Veranschaulichung (z.B. ein Videoclip), ein Gegenstand.
5. Ziel / Anwendung (Stachel)
Was will ich mit meiner Predigt sagen? Was will ich erreichen? Was will ich dem Hörer mitgeben? Was soll er verstehen, empfinden, tun?
Das Wort Gottes will den Hörer als ganze Person ansprechen, den Glauben wecken, zum Gehorsam aufrufen. Deshalb gehört zur Auslegung schließlich die Anwendung, der ‚Stachel‘: das, was den Hörer ‚piekst‘!
Dieses Modell ist dem Buch ‚Creative Preaching and Oral Writing‘ von Richard Carl Hoefler (1978) entnommen.
Dr. Roland E. Fischer, Professor für Praktische Theologie, ThHF
Geschichten und Geschichte
Verschiedene Predigttypen: die dramaturgische Predigt
Es gibt verschiedene Predigttypen und Formen, die man je nach Anlass, Thema, Zielgruppe oder Aussageabsicht verwenden kann. Die „klassische“ Form ist die „Text- und/oder Themenpredigt“. Eine weitere Predigtform ist die „Erzählpredigt“: Dieser Typus ist eigentlich die ursprüngliche Form der christlichen Verkündigung, hat doch Jesus Christus selbst vor allem Geschichten und Gleichnisse erzählt, um den Menschen das Reich Gottes nahe zu bringen.
Die dramaturgische Predigt verbindet erzählende, erklärende und weitere illustrierende Elemente miteinander. In verschiedenen Abschnitten (Sequenzen oder Moves) wird das Thema in einer bestimmten Struktur dargestellt, so dass die Zuhörer in die Bewegung und Spannung der Predigt mit hineingenommen werden. An dem folgenden Beispiel wird das kurz aufgezeigt. Das Thema lautet:
Geschichten und Geschichte
Sequenz 1: Eine Geschichte über das Geschichtenerzählen:
„Wenn der große Rabbi Israel Ben Elieser, der Baalschem Tow, die Juden vom Unglück bedroht sah, ging er gewöhnlich zu einer bestimmten Stelle des Waldes, um zu meditieren. Dort zündete er ein Feuer an, sprach ein bestimmtes Gebet, und das Wunder geschah: Das Unglück ging vorüber.
Jahre später wollte sein Schüler, der berühmte Maggid von Mezritsch, aus demselben Grund den Himmel anflehen. Auch er suchte denselben Platz im Wald auf und sprach: Herr der Welt, höre! ich weiß nicht, wie man ein Feuer anzündet, aber ich kann beten. Und wiederum geschah das Wunder.
Später ging Rabbi Mose Lob von Saeow, um sein Volk noch einmal zu retten, in den Wald und sprach: Ich weiß nicht, wie man ein Feuer anzündet, auch kenne ich das Gebet nicht, aber ich kenne die Stelle und das muss genügen. Es genügte, und das Wunder geschah.
Zuletzt sollte der Rabbi Israel von Rishyn das Unglück abwenden. Er saß in seinem Armsessel, stützte mit den Händen seinen Kopf und sagte zu Gott: ich kann kein Feuer anzünden, und das Gebet ist mir unbekannt. Sogar die Stelle im Wald kann ich nicht finden. Alles, was ich kann, ist die Geschichte zu erzählen. Das muss genügen. - Und es genügte." (Überliefert von Eli Wiesel)
Sequenz 2: Geschichten wirken
Menschen (groß und klein) lieben Geschichten, brauchen Geschichten, sind Teil von Geschichten. Wir brauchen Geschichten, weil sie uns helfen, die Welt zu verstehen, uns selbst zu verstehen und auch Gott zu verstehen.
Sequenz 3: Geschichten verändern
Man bat einen Rabbi, dessen Großvater ein Schüler des Baalschem (der Gründer der chassidischen Bewegung) gewesen war, eine Geschichte zu erzählen. „Eine Geschichte“, sagte er, „soll man so erzählen, dass sie selbst Hilfe sei.“ Und er erzählte: „Mein Großvater war lahm. Einmal bat man ihn, eine Geschichte von seinem Lehrer zu erzählen. Da erzählte er, wie der heilige Baalschem beim Beten zu hüpfen und zu tanzen pflegte. Mein Großvater stand und erzählte, und die Erzählung riss ihn so hin, dass er hüpfend und tanzend zeigen musste, wie der Meister es gemacht hatte. Von der Stunde an war er geheilt.“ (Martin Buber, Erzählungen der Chassidim)
Sequenz 4: Gottes Geschichte mit Israel
Im fünften Buch Mose wird uns das Glaubensbekenntnis Israels in Erzählform überliefert. Daran wird deutlich, wie die einzelnen Israeliten in die Geschichte ihres Volkes hineingenommen wurden und dadurch ihre eigene Lebensgeschichte deuten konnten: 5. Mose 26, 5-9
Sequenz 5: Die Geschichte meines Volkes ist meine Geschichte
Das wird auch heute noch so verstanden. Auf eindrückliche Weise hat dies der ehemalige israelische Staatspräsident Ezer Weizman zum Ausdruck gebracht, als er 1996 seine Rede vor dem deutschen Bundestag hielt: „Ich war ein Sklave in Ägypten und empfing die Thora am Berg Sinai, und zusammen mit Josua und Elijah überschritt ich den Jordan. Mit König David zog ich in Jerusalem ein, und mit Zedekiah wurde ich von dort ins Exil geführt. Ich habe Jerusalem an den Wassern zu Babel nicht vergessen, und als der Herr Zion heimführte, war ich unter den Träumenden, die Jerusalems Mauern errichteten. … Ich habe meine Familie in Kischinev verloren und bin in Treblinka verbrannt worden. Ich habe im Warschauer Aufstand gekämpft und bin nach Eretz Israel gegangen, in mein Land, aus dem ich ins Exil geführt wurde, in dem ich geboren wurde, aus dem ich komme und in das ich zurückkehren werde.“
Sequenz 6: Gottes Geschichte in Jesus Christus
Die Geschichte Gottes mit den Menschen zeigt sich vor allem in Jesus Christus. Der Gläubige wird Teil dieser Geschichte durch Jesus Christus.
1.Korinther 15,3-8: Paulus fühlt sich hineingenommen in die Geschichte Gottes mit und in Jesus Christus. Christus ist gestorben und auferstanden usw. für uns – für Paulus genauso wie für die andern. Er gewinnt seine Identität und seine Bestimmung aus der Heilsgeschichte Gottes. Mehr noch: Paulus identifiziert sich mit der Lebens- und Leidensgeschichte Jesu.
Sequenz 7: Die Geschichte Jesu wird meine Geschichte
Corrie ten Boom bezeugt dies sehr eindrücklich mit einer erschütternden Erfahrung im KZ: „Wir mussten einmal auf einer Nacktparade stehen. Alle unsere Kleider wurden weggenommen, und dann standen wir so in der eisigen Kälte. Mir war nie so kalt, so elend, und nie habe ich mich so geschämt. Ich sagte zu meiner Schwester Betsie: Das ist schlimmer als alles andere, was der Feind uns angetan hat. Ich kann es kaum ertragen. – Und dann auf einmal war es, als ob ich Jesus am Kreuz sähe. Die Bibel sagt, dass sie seine Kleider unter sich verteilt haben. Da verstand ich ein ganz klein bisschen von seinem Leiden. Ich verstand, weil ich ein wenig davon selbst erfuhr. Er hing da nackt am Kreuz für mich. Als ich mir das vergegenwärtigte, verstand ich etwas von dem Ozean der Liebe, den Jesus für uns gehabt hat, so dass er solch eine Strafe für unsere Sünden getragen hat. Das machte mich so dankbar, dass ich mein eigenes Leiden ertragen konnte.“
Sequenz 8: Die Geschichte meiner Gemeinde ist meine Geschichte
Persönliches Zeugnis des Predigers/der Predigerin über die eigene Glaubensgeschichte als Teil der Geschichte Gottes mit seinem Volk und mit der Adventgemeinde.
Dr. Roland E. Fischer, Professor für Praktische Theologie, ThHF
Osterpredigt
Predigt ist Verkündigung des Wortes Gottes, ist religiöse Rede. Das Wort Gottes wird hörbar gemacht. Trotzdem schließt das nicht aus, dass auch visuelle Elemente in die Predigt einbezogen werden. Menschen nehmen mit den verschiedenen Sinnen unterschiedlich stark auf. Das Wahrnehmen und Lernen mit dem Sehsinn ist sicherlich bei vielen Menschen deutlich ausgeprägt. Deshalb ist es angemessen, Predigten gelegentlich durch Gegenstände, Symbole, Fotos, Bilder und andere visuelle Darstellungen zu gestalten. Das sollte dezent geschehen, um die Wortverkündigung zu unterstützen und nicht zu verdrängen.
Der Weg nach Emmaus
Die Osterpredigt stellt die Perikope von den „Emmausjüngern“ aus Lukas 24, 13–35 in den Mittelpunkt. Die folgende Bildbetrachtung kann eine eigenständige, vollwertige Predigt/Andacht sein, oder als Hinführung zur Predigt dienen.
(Das Ölgemälde stammt von Janet Brooks-Gerloff und hängt im Kreuzgang der Benediktinerabtei Kornelimünster)
„Die beiden Emmausjünger und ihr Begleiter Jesus - drei Gestalten. Der Betrachter schaut ihnen nach; er sieht nicht ihre Gesichter, nur ihre Rücken. Die drei gehen ihm voraus. Sie sind wie eine Einladung, mit ihnen zu gehen, - ihrem Gespräch zu lauschen, - sich selbst in das Gespräch mit dem Unbekannten einzubringen.
Die weiten Gewänder der beiden Jünger sind schwarz. Das Spiel des Lichtes hellt sie nur wenig auf. Ist das eine Andeutung der dunklen Trauergedanken der Emmausjünger damals? Oder ein Hinweis auf die Sorgen, Schmerzen und Leiden der Menschen aller Zeiten?
Neben den beiden läuft der Unerkannte, - nur eine Konturenzeichnung, mit Bleistift skizziert, - durchsichtig leicht und schwerelos, - noch nicht fassbar und sich schon wieder entziehend. Die Jünger sind voll im Gespräch mit ihm, aber ihre Augen sind „gehalten“, obwohl das Herz schon brennt. Im Gespräch und im Brechen des Brotes wird sich ihnen der Unerkannte als der auferstandene Meister ihrer gemeinsamen Wege zeigen - und sogleich wieder entziehen. Wie ein Lockruf, alte Wege zu verlassen, um neue zu entdecken, und die Stationen auf dem Weg nicht mit dem Ziel zu verwechseln, geht er mit ihnen - und mit uns.
Die beiden Jünger schreiten in der linken Bildhälfte voran, ihr Meister begleitet sie etwa in der Bildmitte. So wird er zum „Dreh- und Angelpunkt“ des Bildes, des Gesprächs und des Weges. Der Jünger, der außen geht, wendet sich an seinem Gefährten vorbei dem Fremden zu. Der Eindruck: der Blick hat schon eine neue Richtung gefunden, die Schritte müssen sie noch suchen.
Die drei gehen durch eine weglose hügelige Landschaft auf einen weiten Horizont zu. Erdfarben deutet sich die Kargheit einer Wüste an. In der Ferne des Horizonts am rechten oberen Bildrand spielen Licht und Regendunkel miteinander. Es bleibt offen, was die Jünger am Ende ihres Weges erwartet. Es scheint sie nicht zu sorgen. Wichtig ist ihnen das Unterwegssein mit dem Unerkannten, der ihnen das Herz brennen macht. Wie Schuppen wird es ihnen von den Augen fallen, weil sie sich nicht sträubten, ihr Herz brennen zu lassen.“
(Nach: https://abtei-kornelimuenster.de/?view=article&id=81:brooks-gerloff-unterwegs-nach-emmaus&catid=48)
Dr. Roland E. Fischer, Dozent für Praktische Theologie, ThHF
Der Predigtbaum
Wenn man eine Predigt halten soll oder möchte, gehen einem sicherlich verschiedene Fragen durch den Kopf: Wie bekomme ich überhaupt eine Idee für eine Predigt? Wie finde ich ein Thema? Wie baue ich es auf? Wie geht der Weg vom Text zur Predigt?
Die folgenden Gedanken sollen ein Schema vorstellen bzw. einen Weg aufzeigen, der am Bild des Predigtbaumes illustriert wird. Die einzelnen Elemente des Baumes stellen die jeweiligen Schritte im Predigtprozess dar.
6. Früchte: Der Schluss, das Predigtziel
5. Blüten: Die „verheißungsvolle“ Einleitung
4. Blätter: Das „Material“, Ausführungen und Anwendungen
3. Äste: Die Struktur, Unterpunkte
2. Stamm: Der Hauptgedanke, das Thema
1. Boden: Die Idee
Boden: Der Nährboden, in dem der Predigtbaum wurzelt, ist das Wort Gottes und die Situation der Menschen. Wir gewinnen unsere Gedanken und Ideen aus der Bibel und/oder aus der aktuellen Situation, den Fragen und Bedürfnissen der Menschen. Egal wo man beginnt, es geht immer um die Verbindung zwischen Text und Hörer. In der Vorbereitung geht man gedanklich vom Text zur Situation der Hörer und wieder zurück zum Text. Umgekehrt geht man von der Situation zu einem passenden Text wieder zurück zum Hörer.
Stamm: Wo immer man auch gedanklich beginnt, folgt auf jeden Fall die intensive Beschäftigung mit dem Predigttext. Durch Lesen, Nachdenken, Exegese und Gebet erschließt sich die Botschaft des Textes. Es sollte sich die Frage beatworten lassen: Was ist der Hauptgedanke, das Kernthema des Textes? Worum geht es? Am besten beatwortet man diese Frage in einem Satz: „In diesem Text geht es um …“
Äste: Nun braucht die Predigt eine Struktur. Die klassische Gliederung in Einleitung, Hauptteil und Schluss ist immer noch gut gebräuchlich. Im Hauptteil wird das Thema entfaltet, das soll durch die Äste veranschaulicht werden. Jetzt wird das Thema in Unterthemen bzw. der Hauptgedanke in Unterpunkte aufgegliedert. Die Leitfrage ist: Was wird darüber (über das Thema) ausgesagt? Diese Frage ist in der Regel mit zwei, drei oder vier Sätzen zu beantworten.
Blätter: Bis jetzt haben wir einen kahlen Baum, ein Gerüst. Nun brauchen wir weiteres „Material“, Ausführungen, Erläuterungen, Umschreibungen. Hier geht es um die eigentliche Aufgabe der Predigt: die Aussagen des Textes herausstellen und auf die Menschen heute anwenden. Klassischerweise heißt das explicatio und applicatio, Erklärung und Anwendung. Dazu helfen Beispiele, Geschichten, Illustrationen und Vergleiche. Gelegentlich können auch passende Medien eingesetzt werden (Musik, Bild, Video).
Blüten: So wie die Blüten die Frucht verheißen, so soll die Einleitung das Thema der Predigt und ihr Ziel vorbereiten. Die Einleitung hat somit einen doppelten Zweck: sie soll Aufmerksamkeit wecken und zum Thema hinführen. Gern können auch hier Erzählungen, Veranschaulichungen oder humorvolle Begebenheiten eingesetzt werden.
Früchte: Die Früchte bedeuten das Predigtziel, das Ergebnis, das ich erreichen möchte. Im Predigtschluss kann dies durch eine gute Zusammenfassung, durch eine treffende Geschichte oder durch eine freundliche Einladung an die Hörer erreicht werden. Die Frage „Was will ich mit der Predigt erreichen?“ begleitet uns allerdings schon durch die gesamte Predigtvorbereitung hindurch und hilft uns, den Fokus nicht zu verlieren.
Dieser Prozess der Predigtvorbereitung, veranschaulicht am „Predigtbaum“, ist beileibe nicht der einzige Weg. Er ist jedoch eine gut nachvollziehbare und durchaus bewährte Methode und kann andere Verfahren nach sich ziehen.
Dr. Roland E. Fischer, Dozent für Praktische Theologie, ThHF
Dialogpredigt
Obwohl die Predigt, formal betrachtet, ein Monolog ist, also eine Rede und kein Gespräch, ist es doch in der Homiletik unbestritten, dass die Predigt einen dialogischen Charakter haben soll.
Dialogischer Charakter
Der Gesprächscharakter der Predigt zeigt sich in der Dialogik von Frage und Antwort; die Predigt muss also Fragen stellen, um Aussagen als Antworten sichtbar zu machen. Sie hat dialogischen Charakter, weil sie den Hörer als gleichwertigen Gesprächspartner ernst nimmt und einen (fiktiven oder tatsächlichen) Dialog eröffnen will: im Hörer selbst, zwischen Prediger und Hörer und – in der Dialogpredigt – auch zwischen den Predigenden.
Dialogpredigt
Bei einer Dialogpredigt predigen zwei (oder in Ausnahmefällen auch mehrere) Personen und spiegeln so einen Dialog wider, der im Hörer und auch zwischen Predigenden und Hörern ablaufen kann.
Formen des indirekten Dialogs
Bei den folgenden Formen handelt es sich nicht um einen echten Dialog, da die beiden „Gesprächspartner“ nacheinander und nicht miteinander reden. Trotzdem ist der dialogische Charakter deutlicher wahrzunehmen, da immerhin zwei Personen mit Unterschieden in Persönlichkeit, Inhalt und Predigtstil zu hören sind und beim Hörer unterschiedliche Positionen herausfordern.
Zwei Prediger bzw. Predigerinnen äußern sich in zwei Predigtteilen über zusammengehörende und sich ergänzende Themen. So könnte die eine Person über Rechtfertigung und die andere über Heiligung sprechen. Zu Ostern kann eine Person über den Tod Jesu, die andere über seine Auferstehung predigen. In einer Abendmahlspredigt spricht ein Prediger über die Bedeutung des Brotes, der andere über die Bedeutung des Weines.
Zwei Personen predigen in zwei Kurzansprachen über denselben Text bzw. dasselbe Thema. Auch durchaus bekannte Texte wie z. B. Gleichnisse Jesu oder alttestamentliche Geschichten sind dazu geeignet. Dabei wird es notwendigerweise Übereinstimmungen und Unterschiede geben. Unterschiedliche oder sogar gegensätzliche Auslegungen bzw. Anwendungen sind durchaus gewollt, weil sie einen inneren Dialog beim Hörer zwischen diesen beiden Positionen auslösen und ihn zu einer eigenen Meinung einladen.
Formen des direkten Dialogs
Bei diesen Formen kommt es zu einem echten Dialog, da die beiden Predigenden gleichzeitig (im Wechsel) sprechen und so ein Gespräch entsteht. Allerdings ist dabei der dialogische Charakter durchaus unterschiedlich ausgeprägt: von einer bloßen Frage-Antwort-Form über ein einvernehmliches Gespräch hin zu einem (durchaus kontroversen) Dialog.
Beim Interview teilen die Prediger bzw. Predigerinnen ihre Rollen in Fragesteller und Interviewpartner auf. Die befragte Person kann dabei in der eigenen (realen) Rolle auftreten oder in der fiktiven Rolle einer historischen oder biblischen Persönlichkeit (z. B. Johannes der Täufer; Martha, die Schwester des Lazarus; Martin Luther). Es ist darauf zu achten, dass es nicht ein reines Frage-und-Antwort-Spiel wird, sondern dass Auseinandersetzungen hörbar werden und der Fragesteller auch selbst Position bezieht.
Ein Beispiel dazu unter: http://auf-der-hoehe.de/podcast/media/2015-05-16_R-und-C-Fischer_Auf-den-Lehrer-Jesus-Christus-kommt-es-an.mp3
Bei einem kontroversen Dialog nehmen die beiden Predigenden zu einem Predigtthema abwechselnd Stellung, wobei ihre Ansichten und Auslegungen durchaus kontrovers sein können. Das mag an die theologischen Streitgespräche erinnern, die wir aus der Geschichte kennen (z. B. Luther und Eck), wobei freilich die Schärfe und Polemik zu unterbleiben haben. Das mutet den Hörern einiges zu und setzt einerseits eine gewisse Reife voraus. Andererseits entspricht diese Form dem (post-)modernen Menschen, der sich mündig eine eigene Meinung bilden will.
Siehe z. B. http://www.predigtpreis.de/predigtdatenbank/predigt/article/dialogpredigt-ueber-johannes-666-68.html
Es versteht sich von selbst, dass alle diese Formen der Dialogpredigt gut und gemeinsam vorbereitet werden müssen. Trotzdem darf nicht der Eindruck entstehen, dass es sich um einen künstlichen oder scheinbaren Dialog handelt. Es ist ratsam, wenn ein Predigtnachgespräch diese Predigtform ergänzt, um den Hörern dann auch die Gelegenheit zu einem realen Gespräch zu geben.
Dr. Roland E. Fischer, Dozent für Praktische Theologie, ThHF
Das Zeichen des Brotes
Es gibt verschiedene Predigttypen und Formen, die man je nach Anlass, Thema, Zielgruppe oder Aussageabsicht verwenden kann.
Die Grundidee dieser vorliegenden Predigtform ist es, die Hörer mit in den Text hineinzunehmen. Oder noch besser formuliert: die „Dramaturgie“ des Textes so zu gestalten, dass die Hörer die Bedeutung und Aktualität nachvollziehen und mitempfinden können. Dabei wird zunächst das Hauptmotiv, das Thema oder der „Titel“ des Textabschnittes benannt. Dann soll die Bewegung oder die Dynamik des Textes wahrgenommen werden. Anhand dieser Bewegung werden dann die einzelnen Elemente der Predigt gestaltet, die sich am Text oder an Anwendungen des Textes (Geschichten, Bilder, Beispiele, Illustrationen usw.) orientieren.
Ein Hauptthema der Brotrede Jesu (Joh.6, 26-58) ist sicherlich das Thema „Zeichen“; außerdem geht es um „Brot“. Daraus ergibt sich für meinen Predigtentwurf der Titel „Das Zeichen des Brotes“. Die verschiedenen Aussagen Jesu zum Zeichen und zum Brot werden anhand von Erlebnissen, Geschichten, Beispielen und Textbetrachtungen in sieben Teilen (oder „Szenen“) dargestellt.
Es handelt sich hier um Vorschläge, die gerne mit eigenen Erlebnissen oder Veranschaulichungen dargestellt werden können.
Das Zeichen des Brotes
1. Unglaube und Zeichen
„Wir standen auf dem Balkon und blickten hinaus in die Nacht.“ Vor vielen Jahren hatte ich im Krankenhaus einen Zimmernachbarn, der Atheist war. Wir unterhielten uns oft über „Gott und die Welt“. Eines Abends standen wir auf dem Balkon. Da sagte er zu mir: „Wenn jetzt ein Engel vom Himmel hier vor uns auf die Erde käme, würde ich an Gott glauben.“ Ich betete im Stillen: „Herr du kannst es, tu es doch, dann glaubt er an dich!“ Nichts geschah.
(Oder eigene Erfahrung erzählen.)
Der Unglaube fragt nach Zeichen, der Unglaube bekommt keine Zeichen.
2. Glaube und Zeichen
Vor einigen Jahren hatten wir eine sehr schwere Zeit. Wir hatten etliche Schicksalsschläge zu verkraften. Ich habe öfter mit Gott gerungen. Greift er ein? Hat er eine Botschaft für mich? Eines Tages war ich am Stadtrand unterwegs. Ich betete: Herr gib mir ein Zeichen! Da biege ich um die Ecke in einen Feldweg, sehe am Feldrand Mohnblumen stehen. Mir fällt schlagartig das Wort Jesu aus der Bergpredigt ein: „Seht die Blumen auf dem Felde … euer himmlischer Vater kümmert sich um sie und erst recht um euch.“ Danke, ein Zeichen!
(Oder eigene Erfahrung erzählen)
Der Glaube fragt auch nach Zeichen, der Glaube bekommt manchmal Zeichen.
3. Manna als Zeichen
Das Volk Israel ist in der Wüste: ein langer, beschwerlicher Weg, viele Hindernisse und Widrigkeiten: Feinde, wilde Tiere, Hunger und Durst. Zweifel und Fragen: ist Gott bei uns? Führt der uns auch weiter, der uns aus Ägypten hergebracht hat? Können wir an diesen Gott Jahwe glauben?
Die Ungewissheit bekommt ein Zeichen: „Unsere Väter haben in der Wüste das Manna gegessen, wie geschrieben steht: Brot aus dem Himmel gab er ihnen zu essen.“
4. Das Volk und das Zeichen
Darauf berufen sich die Menschen jetzt – auf dieses Zeichen. Jesus hat gerade mehr als 5.000 Menschen satt gemacht und jetzt wollen sie ihn zum „Brotkönig“ machen. Jesus flieht, die Menschenmenge folgt ihm nach. Jesus weiß, was die Menschen wollen und eröffnet gleich das Gespräch: Ihr wollt Brot essen, satt werden – aber kümmert euch vielmehr um unvergängliche Speise! Die Menschen verstehen nicht: unvergängliche Speise, das kann doch nur Gott!? Wie sollen wir die Werke Gottes tun? Da kommt Jesus auf den Punkt: „Darin besteht das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den jener gesandt hat.“ (V.29)
Da könnte ja jeder kommen – warum sollten wir dir glauben? Beweise uns das mit einem Zeichen! Der Unglaube will Zeichen und die Leute wissen sogar sehr genau, welches Zeichen Jesus tun soll: Brot vom Himmel. „Unsere Väter haben in der Wüste das Manna gegessen, wie geschrieben steht: Brot aus dem Himmel gab er ihnen zu essen.“ – Moment mal: hatten sie das nicht gerade eben erlebt? Das war doch ein Zeichen, und wie! Reichte das nicht?
Nein, dem Unglauben helfen auch keine Zeichen.
5. Jesus das Zeichen
Jesus geht auf ihre Bedürfnisse ein – allerdings anders als vermutet. Er sagt: „Ich bin das Brot des Lebens!“ Ja, es gibt ein Zeichen, das Zeichen bin ich selbst. Und wer zu mir kommt, wer an mich glaubt, für den wird sich das Zeichen erfüllen: der wird nicht hungern und dürsten, d.h. er wird ein erfülltes Leben haben, er wird von Gott angenommen, er hat das ewige Leben, er wird auferweckt am jüngsten Tage.
Jesus ist das Zeichen.
Die Leute sagen: erst ein Zeichen, das Brot – dann glauben wir! Jesus sagt: wer zuerst an mich glaubt, für den werde ich selbst zum Zeichen, zum Brot des Lebens. Ja, und dann – und dann gibt er doch noch ein Zeichen! Bei Johannes ist das nur angedeutet: „Aber das Brot, das ich geben werde ist zugleich mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt.“ (V.51b). Bei den andern Evangelisten ist das so ausgedrückt: das Brot des Abendmahls wird zum Zeichen für das wahre Leben, das Jesus gibt, zum Zeichen für Heil, Vergebung und Versöhnung!
6. Das Zeichen des Brotes
Geschichte: „Der Bäcker von Paris“:
Aus: Heinrich A. Mertens: Brot in deiner Hand. Geschichten für Kinder von der Bedeutung des heiligen Mahles, 6. Auflage München 1982, S. 5 – 8.
(Auch im Internet zu finden)
7. Das Abendmahlsbrot als Zeichen
Wir essen heute das Abendmahlsbrot, ein Zeichen – ein Zeichen für Versöhnung und Vergebung, für Heil und ewiges Leben. Das Abendmahlsbrot ist ein Zeichen für den Leib Christi, für Jesus Christus selbst. Er ist mitten unter uns, er selbst ist uns die Versöhnung und das Heil geworden. Das Brot ist ein Zeichen für das eine Zeichen, für Jesus Christus selbst. Das Brot, ein Zeichen für den Glauben, für die Gläubigen! Amen.
Dr. Roland E. Fischer, Dozent für Praktische Theologie, ThHF
Vom Richten (Matthäus 7,1–6)
Der Spannungsbogen einer Predigt
Gute Geschichten haben einen Spannungsbogen, gute Predigten auch. Eine inhaltliche Spannung wird aufgespürt und dargestellt, ausgeführt und aufgelöst – oder einfach nur ausgehalten und zu einem guten Ende gebracht. Das finden Zuhörer nicht nur spannend, sondern sie werden in den Gedankengang mit hineingenommen und selber zu Lösungsansätzen angeregt.
Eine thematische Predigt kann den Spannungsbogen zwischen zwei gegensätzlichen oder scheinbar widersprüchlichen Bibeltexten entfalten. Im AT z. B. zwischen der Aussage in 5. Mose 23,2–4 (exklusives Verständnis vom Volk Gottes) und Jesaja 56,3–8 (offene Vorstellung vom Volk Gottes). Oder im Neuen Testament zwischen der Aussage in Römer 3,28 (gerecht durch Glauben ohne Werke) und Jakobus 2,14 (Glaube ohne Werke rettet nicht).
Auch ein Textabschnitt kann in sich einen solchen Spannungsbogen beinhalten, so dass eine Textpredigt diesen herausarbeiten und entfalten kann. Ein Beispiel dafür ist das Wort Jesu „vom Richten“ in der Bergpredigt.
Predigtthema
„Vom Richten“ (Mtatthäus 7,1–6)
Predigtidee
Es besteht eine Spannung, ja ein Gegensatz zwischen dem ersten Satz „Richtet nicht“ und dem letzten Wort „Gebt das Heilige nicht den Hunden.“ Zuerst entsteht der Eindruck, dass jegliches Richten und Urteilen strikt abzulehnen sei. Zuletzt werden wir anscheinend zu einem klaren und massiven Urteil aufgefordert. Dieser Spannungsbogen wird in vier Schritten entfaltet und zu einer Annäherung geführt.
Predigtaufbau
1) Vers 1: „Richtet nicht…“
Kurz, klar und kategorisch: urteilt und richtet nicht, sonst werdet ihr auch gerichtet.
Ellen White schrieb dazu: „Richtet nicht…das bedeutet: Macht euch nicht zum Gesetz anderer. Glaubt nicht, dass eure Ansichten, eure Pflichtauffassung und eure Schriftauslegung ohne weiteres auch für andere maßgebend sei“ (Das bessere Leben, 85).
→ Jesus sagt: Kein Richten, kein Urteilen.
2) Vers 2: Das Maß ist entscheidend
Das absolut klingende „richtet nicht“ wird in eine Beziehung gesetzt – es geht um eine Wechselseitigkeit. Der Volksmund kennt das auch: „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es zurück!“ Wir können und müssen manchmal Menschen beurteilen, aber das Maß ist entscheidend. Ein gerechtes, faires und maßvolles Urteil ist möglich, denn auch wir sind bereit, ein solches zu akzeptieren.
→ Jesus sagt: Urteilen ja, aber gerecht, fair und maßvoll.
3) Verse 3 bis 5: Der Splitter und der Balken
Mit diesem grotesken Bild werden zwei paradoxe Aussagen gemacht: wer einen Balken im Auge hat, kann erstens den Splitter des andern gar nicht sehen und er kann ihn zweitens auch nicht entfernen, weil er gar nicht an ihn herankommt. Das heißt: zuerst den eigenen Balken entfernen, also zuerst die eigenen Fehler korrigieren. Dann ist es offensichtlich möglich, auch den Splitter beim andern zu entfernen, weil sich der Blick verändert hat! Wer den eigenen Balken entfernt hat, kann „klar sehen“, um den Splitter des anderen beseitigen zu können.
→ Jesus sagt: Beurteilen ja, aber nicht nur gerecht, fair und maßvoll, sondern auch nur dann, wenn ich mich selbst zuerst beurteilt und korrigiert habe.
4) Vers 6: Das Heilige nicht vor die Hunde
Hier wird ein drastisches Bild gebraucht, ein scharfes Urteil gesprochen. Matthäus wendet es auf Abtrünnige und Irrlehrer an. Wir werden aufgefordert, ein klares Urteil gegen Fehlverhalten, Irrtum und Missstände zu sprechen.
→ Jesus sagt: Trefft ein klares Urteil, mit einem scharfen Blick, aber auch ausgewogen und fair.
Richten nein!
- Kein eigengesetzliches, selbstgerechtes Richten
- Kein rigoroses, maßloses und liebloses Richten
- Kein Richten, das nur die Fehler des anderen sieht
- Kein Richten, das nicht zuerst bei sich selbst beginnt
Urteilen ja!
- Ein maßvolles, faires und gerechtes Urteilen
- Ein Urteilen, das mich nicht selbst zum Maßstab macht
- Ein Urteilen, das mich selbst genauso mit einbezieht
- Ein Urteilen, das Missstände und Fehlverhalten beim Namen nennt
Die positive Umkehrung des Wortes „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“ lautet:
„Alles was ihr wollt, das euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch!“ (Matthäus 7,12).
Homilie zu Johannes 2,1– 11 (Hochzeit zu Kana)
Verschiedene Predigttypen
Es gibt verschiedene Predigttypen und Formen, die man je nach Anlass, Thema, Zielgruppe oder Aussageabsicht verwenden kann.
Die „klassische” Form ist die „Text- und/oder Themenpredigt”. Eine weitere Predigtform ist die „Homilie”: Eine Homilie war in der alten Kirche eine den Text erklärende Schriftauslegung nach der gottesdienstlichen Lesung. Heute versteht man darunter in der Regel die Form der textnahen Predigt: Die Homilie beginnt ohne lange Einleitung oder Themenformulierung gleich mit der Auslegung des ersten Verses und unterscheidet sich damit von der thematischen Textpredigt. Auf die Erläuterung der einzelnen Verse folgt unmittelbar die Anwendung.
Homilie zu Joh. 2, 1–11 (Hochzeit zu Kana)
Einleitung: Im Altertum wurden große Feste mehrere Tage lang gefeiert – mit Hunderten von Gästen. Die Hochzeit zu Kana ist solch eine Feier; die Perikope ist jedoch viel mehr als ein Bericht über eine Hochzeit:
Verse 1 und 2: Am dritten Tag
Anfang des Wirkens Jesu. Erster Tag: Taufe; zweiter Tag: Berufung der Jünger; dritter Tag: Hochzeit. Das zeigt die große Bedeutung dieses Ereignisses. Die Formulierung „dritter Tag” findet sich bei Johannes in Bezug auf Tod und Auferstehung Jesu. Will Johannes schon hier die Bedeutung der „Hochzeit” ankündigen?
Jesus war eingeladen
Jesus geht hin und hat gefeiert. Was sagt das über unser Jesusbild aus? War er fröhlich, lachend? Der Vorwurf seiner Gegner: „ein Weinsäufer” (Matthäus 11,19). Jesus überträgt das einmal: „Sollen die Hochzeitsgäste fasten, so lange der Bräutigam bei ihnen ist?” (Markus 2,19). Jesus nennt sich selbst Bräutigam: Jesus wertet die Ehe auf – durch seine Anwesenheit, durch die Übertragung auf sich.
Verse 3 und 4: Sie haben keinen Wein
Maria äußert wohl unausgesprochen eine Erwartung an Jesus. Auch wir haben Erwartungen, Wünsche an Jesus – für uns, für andere. Wie äußern wir sie? In welcher Form? Mit welchen Worten? Mit welcher Gesinnung? Fragend, zweifelnd, vertrauensvoll, drängend?
Meine Stunde ist noch nicht gekommen
Klingt unverständlich: wenige Stunden oder Minuten später greift Jesus doch ein. Welche „Stunde” meint er? Jesus spricht von seiner Verherrlichung, meint seinen Tod. Dieses Zeichen hier ist eine Ankündigung, ein Hinweis auf diese „Stunde” (Vers 11) Jesus ist hiermit auch der souverän Handelnde. Er weiß wann und
wie und sagt hier: „noch nicht”. Sagt er das auch manchmal zu uns? Wir bitten Gott um etwas, er sagt: Noch nicht! Oder er sagt gar nichts. Können wir warten? Warten ist schwer (Beispiele)! Geduld ist nötig, „Geduld der Heiligen” (Offenbarung 14,12). Geistliche Übung: Warten, Ruhe, Stille, Schweigen!
Vers 5: Was er euch sagt, das tut
Großes Vertrauen in Jesus, trotz Zurückweisung, trotz „noch nicht”. Aufruf zum Gehorsam: er wird’s recht machen. Gilt auch für uns: tun, was Jesus uns sagt. Gehorsam und Nachfolge. Gnade befreit nicht vom Gehorsam, sie führt zum Gehorsam. Bonhoeffer: „Nur der Glaubende ist gehorsam, nur der Gehorsame glaubt.” Hier ist eine zweite geistliche Übung: Gehorsam!
Verse 6 bis 10: Sie füllten und sie brachten
Vollzogener Gehorsam: Unverständliche Anweisungen für die Diener, aber „sie füllten” und „sie brachten”. Jesus wirkt mit Menschen zusammen. Wenn Gott heute wirkt – mit und durch Menschen – kann er dich und mich gebrauchen? Das Wunder Gottes geschieht durch Menschen: als sie füllten, war es Wasser, als sie brachten, war es Wein. Wir tun die Werke Gottes: ein gutes Wort, eine hilfreiche Tat usw.
Sechs Krüge, guter Wein
Jesus gibt gut und reichlich, er gibt Leben in Fülle (Johannes 10,10b). Häufiges Thema im Johannesevangelium: Wasser des Lebens, Brotvermehrung, 12 Körbe, Brot des Lebens, ewiges Leben. Jesus gibt auch mir erfülltes Leben. Lebe ich aus der Fülle? Nicht unbedingt materiell, aber bin ich innerlich reich? Lebensqualität durch den Glauben: Sinn, Hoffnung, Zufriedenheit.
Vers 11: Zeichen
Es war ein Wunder, aber ein Zeichen ist mehr! Es geht nicht um den Wein – ein Zeichen weist auf etwas hin, auf jemanden hin.
Offenbarung seiner Herrlichkeit
Handeln Gottes durch Jesus Christus, durch seine Sendung, seine Messianität. Worin bestand das Zeichen? Wasser = rituelle Waschungen | Wein = Blut Jesu. Mit seinem Opfer beendete Jesus die alten Rituale: „euer Wein” in neue Schläuche. Johannes schreibt in seinem Brief (5,6): „ieser ist’s, der da gekommen ist mit Wasser und Blut, Jesus Christus. Nicht mit Wasser allein, sondern mit Wasser und Blut.” Dieses Zeichen dauert an, bis heute – das Abendmahl! (Zitat von Ellen White: Leben Jesu 134)
Seine Jünger glaubten an ihn
Das ist keine Wundergläubigkeit. Gerade Johannes macht deutlich, dass viele die Wunder sahen und doch nicht glaubten. Hier geht es um das Zeichen (Jesus Christus selbst): die Jünger verstanden und glaubten.
Dr. Roland E. Fischer, Dozent für Praktische Theologie, ThHF
Nehmt einander an! (Römer 15,7)
Verschiedene Predigttypen: die Erzählpredigt (Narrative Predigt)
Es gibt verschiedene Predigttypen und Formen, die man je nach Anlass, Thema, Zielgruppe oder Aussageabsicht verwenden kann.
Die „klassische“ Form ist die „Text- und/oder Themenpredigt“. Eine weitere Predigtform ist die „Erzählpredigt“: Dieser Typus ist eigentlich die ursprüngliche Form der christlichen Verkündigung, hat doch Jesus Christus selbst vor allem Geschichten und Gleichnisse erzählt, um den Menschen das Reich Gottes nahe zu bringen.
Die Erzählpredigt ist mehr als eine Veranschaulichung; sie stellt eine Verbindung her zwischen der Erlebniswelt der Bibel und der Erfahrungswelt der Zuhörer. Sie verknüpft die Geschichte Gottes mit unseren Geschichten, so dass Menschen die Geschichte Gottes in ihrem Leben fortschreiben können.
Es gibt verschiedene Unterarten der narrativen Predigt. Eine Möglichkeit ist es, fiktive Geschichten zu erzählen: (Zeitgeschichtliche) Personen und/oder Handlungen werden erfunden, um einen Bibeltext in einen erzählerischen Rahmen einzufügen und ihn zu aktualisieren.
In dem folgenden Beispiel wird die Situation in der Gemeinde Rom durch fiktive Personen und Situationen veranschaulicht und damit schon aktualisiert. Danach folgt eine Anwendung auf Situationen in der heutigen Gemeinde.
Erzählpredigt zu Römer 15,7: »Nehmt einander an!«
Erzählung:
Liebe Gemeinde, wir reisen in Gedanken weit in die Vergangenheit zurück. Wir gehen 1960 Jahre zurück und kommen im Jahr 54 n.Chr. an; und wir reisen nach Süden in die Stadt Rom. Rom, eine mächtige Stadt, die Hauptstadt des römischen Reiches. Nach Claudius war gerade Nero Kaiser von Rom geworden. Wir schlendern durch die Straßen und kommen an die Kreuzung der Via Longa mit der Via Bona. An dieser Ecke steht ein großes Haus mit einem schattigen Innenhof. Wir erfahren, dass es Claudius Drusus gehört, einem ehemaligen Offizier der römischen Armee, der jetzt Christ geworden ist. In seinem Haus versammelt sich die christliche Gemeinde zu Rom. Wir stehen gegenüber vom Hauseingang und beobachten, wer zur gottesdienstlichen Versammlung kommt:
Zuerst erscheint ein jüngeres Ehepaar, Alexander und Thekla, beide Griechen. Er ist von Beruf Lehrer und philosophisch gebildet. Kurz danach kommt ein älterer Herr in einer vornehmen Toga, der sich öfter scheu umschaut. Es ist Cato Serenus, ein römischer Senator, der heimlich Christ ist. Nach ihm biegen zwei Frauen um die Ecke; es sind Iris und Rhea, ägyptische Sklavinnen. Jetzt schreiten zwei alte, würdige Herren auf das Haus zu: es sind Joschua und Sirach, jüdische Händler, die beruflich nach Rom gekommen waren. Zuletzt eilt ein kräftiger Athlet herbei mit Namen Germanicus, ein germanischer Sklave und ehemaliger Gladiator.
Das ist die christliche Gemeinde zu Rom: ein buntes Bild, eine zusammengewürfelte Schar, grundverschiedene Menschen, Judenchristen und Heidenchristen. Sie feiern zusammen Gottesdienst und haben zusammen Tischgemeinschaft. Aber: da fangen die Probleme schon an, denn sie sind zu
verschieden: bei der Mahlgemeinschaft essen Joschua und Sirach nur reines Fleisch, das koscher geschlachtet wurde. Alexander und Thekla sind Asketen, sie essen gar kein Fleisch und Germanicus war bis vor kurzem noch Bären- und Wildschweinfleisch gewöhnt. In Rom gibt es außerdem nur Fleisch zu kaufen, das den Göttern geweiht worden ist. Auch zu den Feiertagen herrschen unterschiedliche Meinungen vor: Iris und Rhea wollen die Feiertage bezüglich der Gestirne halten. Cato Serenus hält alle Tage gleich und die beiden Juden meinen, man müsse auch das Laubhüttenfest und den Versöhnungstag halten. Die Gemeinde Rom kann sich in all diesen Fragen nicht einigen. Da kommt ein Bote und bringt ihnen einen Brief. Er wurde in Korinth abgesandt und stammt von einem gewissen Paulus. Er ist ihnen persönlich unbekannt, aber sie haben schon von ihm gehört. Da wird ihnen in diesem Brief u.a. vorgelesen:
„Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.“ (Rö.15,7)
Wir reisen wieder ins Jahr 2014 und zurück nach XY. Auch in unserer Gemeinde gibt es verschiedene Menschen mit unterschiedlicher Herkunft, Erfahrung und Glaubensüberzeugung. Paulus schreibt auch an uns: „Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.“
Anwendung:
Bedeutung von Annahme und Wertschätzung für uns Menschen. „Annehmen“ heißt wörtlich „in die (häusliche) Gemeinschaft aufnehmen“. Das fällt uns oft nicht leicht, aber Jesus Christus ist der Maßstab: „wie Christus euch angenommen hat.“ Was heißt das praktisch?
1) Keine Vorurteile, einander nicht richten.
Vorurteile bestimmen unser Handeln, führen zu einer Haltung des Richtens. Beispiele dazu. Dagegen wendet sich Paulus: Rö.14,10.13
2) Andersartigkeit akzeptieren
Paulus empfiehlt den „Starken und Schwachen“ (Rö.14; 15) sich gegenseitig zu akzeptieren. Gleichheit bestätigt uns, Andersartigkeit verunsichert uns. Wir werten deshalb häufig („richtig und falsch“). Wir sollten versuchen, uns in die Lage des Anderen zu versetzen um ihn zu verstehen. Beispiele dazu. Jesus Christus hat uns angenommen, so wie wir sind (Sünder).
3) Vergeben
Wir werden immer wieder (trotz allem) aneinander schuldig. Deshalb um Verzeihung bitten und Vergebung gewähren. Gott hat uns vergeben durch Jesus Christus und die Beziehung zu sich wieder hergestellt. Durch gegenseitige Vergebung können wir uns wieder annehmen. Beispiele dazu.
Schluss:
Christus hat uns vorurteilsfrei geleibt, hat uns akzeptiert wie wir sind und uns vergeben. Das diente Gott zur Ehre. Auch durch unser Verhalten zueinander wird Gott geehrt.
Dr. Roland E. Fischer, Dozent für Praktische Theologie, ThHF