»Mache dich auf und werde licht«

27. Jan.. 2025 / Wissenschaft & Forschung

Imposant sind sie auf jeden Fall, die großen Backsteingebäude mitten im Wald. Gebaut mit einer Vision und Botschaften, die bis heute gut sichtbar den Charakter des Geländes prägen: „Mache dich auf und werde licht“ (Bild 1) heißt es in Anlehnung an Jesaja 60,1. Das Motiv des Lichts scheint schon sehr früh eine bedeutende Rolle gehabt zu haben. Auf der 7. Jahresversammlung der Deutschen Union vom 18. bis 28. Juli 1907 in Friedensau kommt das sehr deutlich zum Ausdruck. Trotz eines zu Beginn nasskalten und unfreundlichen Wetters wurden am Abschluss-Sabbat 1.223 Teilnehmer gezählt, 239 mehr als im Vorjahr. Ein Höhepunkt bei dieser Konferenz war die Einweihung des Altersheims (Bild 2). Es wurde am Donnerstag, den 25. Juli 1907, feierlich eingeweiht. Der »Zions-Wächter« vom19. 8. 1907 berichtet von einem kaum enden wollenden Zug vom großen Zelt „über die Wiese nach dem Bau, woselbst nach einigen Gesängen des Chors das Weihegebet von Br. Haffner gesprochen wurde“ (270).

Ein Höhepunkt aus archivalischer Sicht ist aber zweifelsohne der Fund des Predigtmanuskripts vom 20. Juli 1907 von William Warren Prescott. Prescott war als Herausgeber und Leiter des Review tätig und besuchte 1907 als Vertreter der Generalkonferenz Friedensau. Während seiner 52 Jahre im Dienst der Kirche füllte er noch eine ganze Reihe anderer Positionen aus und war eng mit dem Bildungswerk verbunden. Prescott ist besonders für seinen christologischen Schwerpunkt bekannt. So formuliert er 1907 in seiner Predigt: „Jede Lehre muss in eine bestimmte Form gekleidet sein und diese Gestalt ist weiter nichts als Jesus selbst.“

Aus dem Predigtmanuskript lässt sich aber vor allem das Bewusstsein ableiten, das unsere Glaubensgeschwister damals gehabt haben. Prescott beschreibt eindrücklich, wie Jesus dieses Licht ist, das in die Welt dringt: „Was ist nun? Das Volk sitzt wiederum in der Finsternis, wiederum bedeckt Finsternis das Erdreich und Dunkel die Völker. Nicht aus dem Grunde, dass das Volk nicht äußere Form und Zeremonien hätte, nicht dass es heute nicht Glaubensbekenntnisse in Hülle und Fülle gäbe, nicht dass es keine Bibeln gäbe, aber warum? Weil Jesus Christus fehlt!“ Die Predigt lohnt, als Gesamtes gelesen zu werden.[1] Prescott gelingt auch der Transfer in die aktuelle Zeit, wenn er auf die Frage eingeht, wie nun echtes Licht von falschem unterschieden werden kann: „Wir werden genügend von dem falschen Evangelium bekommen, und dieses falsche Evangelium wird auch ein Evangelium der Kraft sein, ja sogar mit Zeichen und Wundern. Wie werden wir nun dieses unterscheiden können von dem Evangelium, das die Kraft ist zur Seligkeit? Wir haben es heute gehört: Liebe, Freude und Friede, diese Charakterzüge besitzt der Teufel nicht, er hat dieses ausgeschlagen, er hat es verleugnet, er wollte Macht haben, aber keine Gerechtigkeit. Er wirkt die Werke der Kraft, aber nicht die Werke der Gerechtigkeit, er offenbart Kraft und Macht, aber nicht Liebe, nicht die Herrlichkeit Gottes, weil die Herrlichkeit Gottes nichts anderes ist als der Charakter Gottes.“

Dieser Auftrag ist an der Fassade der „Neuen Schule“ zu lesen. Dieses Licht hinauszutragen ist auch heute noch unser Auftrag. „Mache dich auf, werde licht“ (Text: Bernd Müller, Ph.D. | Leiter des Historischen Archivs der STA in Europa).