Ein Manager aus Ostpreußen: Wilhelm Krumm

27. Jan.. 2025 / Wissenschaft & Forschung

Große Ideen sind noch kein Rezept für den Erfolg. Sie bleiben Luftschlösser, solange niemand da ist, der sie umsetzt. Nicht selten stehen diese entscheidenden Personen aber im Hintergrund, obwohl ohne ihre Zuverlässigkeit, Ausdauer und Kreativität das Werk nicht zustande gekommen wäre. Mit Wilhelm Krumm begegnen wir so einer Persönlichkeit – fachlich kompetent und zuverlässig, einer, der sich nie in den Mittelpunkt gestellt und sich immer nur als Mitarbeiter gesehen hat. Vielleicht gerade deshalb ist er in der Vergangenheit häufig übersehen worden. Sein Name taucht in der Friedensauer Geschichtsschreibung nur beiläufig auf.

Wilhelm Krumm gehörte zu den ersten Adventisten in Ostpreußen. Hier kam er 1861 zur Welt. Mit 33 Jahren schloss er sich – gemeinsam mit seiner Frau – der Adventgemeinde in Gumbinnen an und wurde schon bald zum Ältesten der Gemeinde gewählt. Er war eine Führungspersönlichkeit. 1901 erging der Ruf an ihn, als Gutsverwalter nach Friedensau zu kommen. Er zögerte nicht lange und gab sein gutgehendes Geschäft auf. Dafür erwarteten ihn als den zukünftigen Verwalter und Gutsvorsteher von Friedensau viele neue und herausfordernde Aufgaben. Er kam in einem Augenblick, als die Nährmittelfabrik großen juristischen Problemen gegenüberstand. Nach kaum einem Jahr im Amt war der Produktionsleiter der Fabrik mitsamt den Rezepten getürmt, hatte sich von der Gemeinde getrennt und beanspruchte nun das Recht für sich, einige der Produkte in seiner eigenen Fabrikation herstellen zu können. Guter Rat war teuer. Für Wilhelm Krumm begannen die ersten Arbeitstage in Friedensau damit, die Erzeugnisse der Nährmittelfabrik patentieren zu lassen. Seitdem zierte das Logo des Deutschen Vereins für Gesundheitspflege (DVG) der Zusatz „eingetragene Schutzmarke“.

Neben der Leitung der Nährmittelfabrik lagen weitere Aufgaben auf dem Tisch des neuen Gutsverwalters: Das Sanatorium stand kurz vor der Fertigstellung, weitere Pläne für den Bau großer Gebäude waren beschlossen. Jetzt brauchte es eine Person, die in der Lage war, strategisch zu arbeiten und die verschiedenen Aufgaben zu leiten und zu koordinieren.

Als Wilhelm Krumm nach Friedensau kam, konnten sich Otto Lüpke als Schulleiter und Dr. Andreas Hoenes als Leiter des Sanatoriums ganz ihren Aufgaben widmen und überließen Wilhelm Krumm die gesamte Organisation und die technische Leitung. Auf ihn war Verlass. Wer nach dem Grund für das so schnelle Wachstum in Friedensau im ersten Jahrzehnt des Bestehens fragt, der wird immer wieder auf Wilhelm Krumm aufmerksam werden. Als 1914, noch vor Kriegsausbruch, die Nährmittelfabrik nach Hamburg verlegt wurde, zog auch Familie Krumm mit nach Hamburg, denn ein Betriebsleiter wurde benötigt. Überhaupt scheint Ludwig Richard Conradi viel auf den Ostpreußen gehalten zu haben. Seit seiner Ankunft in Friedensau 1901 bis zum Ende des Bestehens der Europäischen Division 1921 war er Mitglied im Aufsichtsrat des DVG, der damals alle finanziellen, personellen und inhaltlichen Belange der Gemeinschaft in Deutschland regelte.

Nachdem sich das neuerbaute Gesundkostwerk in Hamburg etabliert und Gewinne eingefahren hatte, holte Ludwig Richard Conradi Wilhelm Krumm zurück nach Friedensau, das seit dem Ende des Krieges nicht so recht auf die Beine kam. Bis 1923 leitete Wilhelm Krumm als Geschäftsführer wieder die Belange des Missionsseminars. Er war maßgeblich daran beteiligt, dass Friedensau 1922 eine selbständige politische Gemeinde wurde. Es ist verständlich, dass Wilhelm Krumm nun die Verantwortung als Bürgermeister/Gemeindevorsteher erhielt. Gleichzeitig übernahm er ab 1923 zusätzlich die Leitung des Altersheims. Ein Schlaganfall zwang ihn 1929, alle Aufgaben niederzulegen. Drei Jahre später, am 23. Juli 1932, erlitt er einen zweiten Schlaganfall und verstarb.

Eine zusätzliche Facette vervollständigt die Persönlichkeit Wilhelm Krumms. Seine Schwester Auguste war mit dem ersten Leiter des Altersheims, Julius Lillig, verheiratet. Da sie aber bereits 1913 starb und ihr Mann 1915 im Krieg fiel, genauso wie zwei ihrer Schwiegersöhne, nahmen Wilhelm Krumm und seine Frau die verwitweten Nichten und deren Kinder ganz selbstverständlich in ihre Familie auf. Die Tochter einer der Nichten – Marianne Fritzsching – wurde im November 1990 zur ersten Pastorin der Adventgemeinde Friedensau berufen ... Schließt sich da nicht auf wunderbare Weise der Kreis? (Text: Dr. Johannes Hartlapp).