Drei Wochen in Quarantäne
24. Nov. 2020 / Campusleben
Drei Wochen in Quarantäne – Corona machts möglich
Tag 1
Wow. Quarantäne also…
Die Nachricht erreichte mich am Nachmittag, dass eine Person positiv getestet wurde. Und ich hatte Kontakt. Ungünstig. Naja gut, was soll man tun. So viel anders wird mein Leben eh nicht in Quarantäne…
Essen, schlafen, aufstehen, was soll sich da schon ändern. Ich darf nicht raus, aber das halt ich wohl mal aus. Andere Studenten verbringen quasi 24/7 drinnen, also werde ich das auch schaffen.
Gedanken rasen durch meinen Kopf: Fühle ich mich gut? War das ein Kratzen im Hals? Wen muss ich alles benachrichtigen?
Tag 2
Der Tag zieht sich und ich schreibe Nachrichten an Chefs, an Familie, an die Hochschule, damit ich mit warmem Mittagessen versorgt werden kann. Brot habe ich noch. Und Butter. Also steht der Speiseplan für die nächsten drei Morgen und Abende.
Wow, es ist wirklich schön draußen. Richtig „Goldener Herbst“. Ohne Itje.
Tage 3 bis 5
Der Online-Unterricht macht es ein bisschen einfacher, sich von „Zuhause“ abzugrenzen. Allerdings wird mein Zimmer trotzdem nicht größer oder teilt sich in Arbeitszimmer und Wohnzimmer. Immer ist es alles in einem. Anstrengend. Keine Bewegung ist übrigens auch wirklich anstrengend. 50 Schritte am Tag ist mein Tagesziel. Aber wohin soll ich denn 50 Schritte laufen? Wie ein Tiger im Käfig immer umher? Dann tue ich, was alle gelangweilten Menschen tun, wenn sie zu lange in ein und demselben Raum sind: umdekorieren. Also hole ich meine Plakate und Bilder und abertausend Postkarten aus dem Regal und beginne meine Wand neu zu tapezieren mit Zeiten, in denen man sich noch umarmen durfte …
Tage 6 bis 7
Das erste Wochenende komplett nur drinnen. So schönes Wetter draußen. Ich höre Menschen an meinem Fenster vorbeigehen und strecke neugierig den Kopf heraus. Ja, Freunde, mittlerweile kann ich gelangweilte Rentner verstehen und warum sie den ganzen Tag am Fenster verbringen. Es ist wirklich interessant, ein bisschen zuzuhören …
Woche 2
Ich nehme Musik für den „Gottesdienst aus vielen Zimmern“ auf und entdecke meine Liebe zur Musik ganz neu. Ich mache viel Musik nebenbei und kenne inzwischen alle Ecken und Enden meines Zimmers. Auch meinen neuen Mitbewohner: die kleine Spinne, die sich ein Netz zwischen zwei großen Blättern meiner Zimmerpflanze gebaut hat. Ich habe sie Herbert Fussel II. genannt. Google konnte mir auch keine Antwort geben, ob das Tier nun männlich oder weiblich sei, aber Herbert Fussel hört auf seinen Namen und verschwindet ganz brav hinter dem Blatt, wenn ich die Pflanze gieße.
Apropos Pflanzen: Ich rede mit ihnen und spiele ihnen Ukulele und Gitarre vor. Mehr schlecht als recht, aber ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass sie davon schon mal NICHT eingehen.
Ich verbringe viel Zeit mit Telefonaten, die schon längst überfällig waren und schaue schöne Wohlfühl-Filme. Nebenbei lese ich viel und bin oft am Laptop, dank Zoom-Unterricht, Zoom-Orga-Meetings, Zoom-Shabbat-Shalom und Zoom-Hauskreisen. Ab und zu klopfen Leute an meine Tür und unterhalten sich, natürlich mit Maske und Abstand, mit mir. Manchmal auch ganz Romeo-und-Julia-like über meinen imaginären Balkon á lá mein Fenster.
Ich entdecke mit Freunden die Welt der Online-Games und habe viel Spaß auf Plattformen, die es zulassen, dass fünf oder mehr Menschen miteinander reden und spielen können.
Woche 3
Aufstehen, Unterricht, lesen, Online-Games, Musik …
Aufstehen, Unterricht, lesen, Filme …
Ausschlafen, Gottesdienst sehen, Telefonate abhalten…
Ich habe mich mit meinem Laptop angefreundet. Herbert Fussel II. und ich lachen über meine schlechten Witze, die ich in die Leere des Raumes posaune, und ich bin mir ganz sicher, dass meine Pflanze Calathea sich bei mir fürs Gießen bedankt hat…
Eine E-Mail reißt mich aus meinem täglichen Teekränzchen mit der nervigen Meise, die versucht, mein Fliegengitter an sich zu reißen. Alles schaut erstaunt, als ich laut rufe: Ja! Endlich ein Test morgen! Aber wartet mal – was, wenn ich positiv bin? Nein, warum sollte ich positiv sein? Ja, keine Ahnung, aber was wenn?
Der Weg zum Test fühlt sich an, wie ein fünfstündiger Spaziergang. Den „Goldenen Herbst“ hab ich wohl verpasst, aber immerhin bin ich mal draußen.
Tag X
Ich wache auf und schaue in mein E-Mail-Fach. Nichts.
Ich schaue Shabbat Shalom und schaue in mein E-Mail-Fach. Nichts.
Mein Handy vibriert und man überbringt mir freundlicherweise die Nachricht, dass ich negativ bin.
Alles jubelt, alles singt.
Ich bin frei!
Itje Zepnik, Theologiestudentin