Dieter Leutert: Prägend für Friedensau
24. Nov. 2023 / Campusleben
Zu den ganz besonderen Persönlichkeiten, die während der Zeit des geteilten Deutschlands das Predigerseminar wie auch das spätere Theologische Seminar Friedensau geprägt haben, gehört unzweifelhaft Dieter Leutert. Seine sprachliche Begabung, sowohl beim gesprochenen als auch beim geschriebenen Wort, bleibt denen unvergessen, die in seinen Vorlesungen saßen, seine Predigten hörten oder seine Artikel lasen. Spannend und pointiert in der Rede, verstand er es wie kaum ein anderer, die Feinheiten der deutschen Sprache aufzuzeigen. In seinen Vorlesungen blitzte es auf, wenn er über historische oder gegenwärtige Persönlichkeiten oder Entwicklungen sprach. Wir konnten ihn alles fragen; er war bereit, auch über Themen zu reden, die andere umgingen. Als Meister der Pädagogik verstand er es, seine Zuhörer immer zu fesseln. Als er einmal die etwas flapsige Bemerkung machte, er könne zehn Minuten über nichts reden, war das eine direkte Steilvorlage für den nächsten „Bunten Abend“. Er parierte meisterhaft und sprach zehn lange Minuten eindrucksvoll über nichts!
Seine Schülerin krempelte sein Leben um
Was wäre wohl aus ihm geworden, wenn er Anfang der 1950er Jahre weiter als junger Lehrer mit Parteiabzeichen in Karl-Marx-Stadt, dem ehemaligen und heutigen Chemnitz, Gymnasiasten in Geschichte und anderen Fächern unterrichtet hätte? Aber da war eine Schülerin, in die er sich blitzartig verliebte und die sein Leben völlig umkrempelte. Durch Ingrid lernte er die Adventgemeinde kennen und lieben. Noch vor seiner Taufe hörte er, dass es in Friedensau ein Predigerseminar gibt. Das möchte ich kennenlernen, so sein Gedanke.
Schulleiter holt ihn nach Friedensau
Doch zu diesem Zeitpunkt war schon Walter Eberhardt, der das Predigerseminar seit der Wiedereröffnung leitete, auf ihn aufmerksam geworden und hatte beschlossen: „Den hole ich nach Friedensau“. So wurde Dieter Leutert mit nur 25 Jahren einer der jüngsten Lehrer in Friedensau. Das war 1954! Einige Jahre später lernte er die Berufspraxis eines Pastors in Leipzig und Schwerin kennen, aber ab 1965 bis zu seiner Pensionierung prägten Dieter und Ingrid Leutert in ihrer stilvollen und feinen Art Friedensau.
Voll Dankbarkeit blickt er auf die Friedensauer Zeit
„Freilich“, so würde Dieter Leutert jetzt in typisch leutertscher Rhetorik einwenden, „war ich doch nicht der Einzige.“ Und im Gespräch heute blickt er voll Dankbarkeit zurück auf seine Friedensauer Kollegen, von denen er viel profitiert hat: Siegfried Lüpke, Hermann Kobs, Wolfgang Kabus … und dann zählt er einen nach dem andern auf. „Es war das große Glück“, so sein Resümee, „mit diesen Persönlichkeiten beschenkt zu werden. Ich kann Gott dafür nur danken.“
Wir lernten unsere Gemeinden und den Auftrag Gottes zu lieben
Vielleicht war es die besondere politische Situation, die mit zu einer unverwechselbaren Prägung dieser Jahre geführt hat. Aber es brauchte Menschen mit einem weiten Horizont, die ihren Schülern nicht allein Lehren, sondern Wissen fürs Leben vermittelten. Wir lernten unsern Verstand zu gebrauchen und selbst zu entscheiden. Wir lernten einen stilvollen Umgang mit Andersdenkenden, auch und gerade mit anderen Christen. Wir lernten auch als Adventisten politisch zu denken und gleichzeitig unsere Gemeinden und den Auftrag Gottes zu lieben.
Mein Wunsch für Friedensau
Ingrid und Dieter Leutert leben seit ihrer Pensionierung in Berlin. Auch jetzt noch im hohen Alter nehmen sie intensiv Anteil an Friedensau. In jedem Jahr besuchen sie mehrmals den Ort ihrer langjährigen Wirksamkeit. „Mein Wunsch für Friedensau ist“, so der altgewordene „Leu“, „dass Gott es segne und dass es uns erhalten bleibe.“
Dr. theol. Johannes Hartlapp, Dozent für Kirchengeschichte an der ThHF