Archäologische Grabungen in Jordanien
06. Dez. 2018 / Wissenschaft & Forschung
Die Grabungen auf der Ruinenstätte Khirbat al-Balua auf dem zentral-moabitischen Plateau in Jordanien haben mittlerweile eine lange Tradition. Im Jahr 1986 begann Prof. Udo Worschech (damals Dozent am Theologischen Seminar Marienhöhe in Darmstadt und später an der Theologischen Hochschule Friedensau) erste Grabungen im Rahmen seiner archäologischen Forschungen im antiken Moab auf dieser Siedlungsanlage, die zu den größten im Gebiet östlich des Toten Meeres zählt. Während in den folgenden Jahren jeweils kleine Gruppen von Experten die Forschungs- und Grabungsarbeiten durchführten, konnte im Sommer 2017 zum ersten Mal eine größere Anzahl von Archäologen und Studierenden teilnehmen. Gesponsert wurde diese Forschungskampagne von der Theologischen Hochschule Friedensau in Zusammenarbeit mit der adventistischen La-Sierra-Universität in Kalifornien. Darüber hinaus wurde dieses Projekt von der University of California San Diego und der Walla-Walla-Universität unterstützt.
Während dieser Forschungskampagne entschieden wir uns für drei Bereiche der Stadtanlage, die näher untersucht werden sollten: die Palastburg im Zentrum der Anlage, eine Hausanlage, die wir bereits 2012 im Blick hatten, und einen Bereich der Befestigungsanlage, die die Oberstadt von einer Stadterweiterung trennte und sich quer durch die Anlage zieht.
Die Palastburg ist für Archäologen von besonderem Interesse, da im Kontext dieser Festung im Jahre 1930 eine Reliefstele aus Basalt entdeckt worden war, die einen moabitischen Fürsten zeigt, dem von zwei ägyptischen Figuren bzw. Göttern die Insignien der Macht verliehen werden. Im oberen Drittel der Stele sind Schriftzeichen zu sehen, die aber leider nicht mehr lesbar sind. Die meisten Archäologen setzen die Stele in Verbindung zu dieser Palastburg, deren Datierung bisher ebenfalls ein Problem war – nicht zuletzt wegen des großen Versturzes, der sich rings um die Festung abgelagert hat. Die schweren Steine konnten ohne großes Gerät nicht bewegt werden. Mit Hilfe der Altertümerverwaltung Jordaniens konnte ein Frontlader organisiert werden, der – nach einer sorgfältigen Bestandsaufnahme der Versturzes – die tonnenschweren Quader versetzen und so dem Grabungsteam Zugang zum Fundament verschaffen konnte. Die Grabungen ergaben, dass unter einer nabatäischen (1. Jahrhundert v. Chr. bis 1. Jahrhundert n. Chr.) und einer eisenzeitlichen (1. Jahrtausend v. Chr.) Siedlungsschicht ein Scherbenmix aus der Spätbronzezeit und frühen Eisenzeit (ca. 1400–1100 v. Chr.) sich die Gründung dieser Anlage vermutlich in das Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. datieren lässt. Wir konnten so zum ersten Mal das Alter dieser Palastanlage verlässlich eingrenzen. Einen besonderen Fund hoben wir in diesem Bereich in der nabatäischen Besiedlungsschicht: neben nabatäischer Keramik und feinen Glasfragmenten konnten wir eine kleine Inschrift, eingeritzt in einer Tonscherbe mit nabatäischen Buchstaben, sichern; die Übersetzung lautet etwa: „Öl, zehn [Einheiten]“. Die Scherbe gehörte zu einem Vorratskrug, der mit der Bezeichnung des Inhalts sowie der Mengenangabe ausgestattet worden war.
Die Grabung an der Hausanlage, die bereits im Jahr 2012 begonnen hatte, konnte in dieser Kampagne fortgesetzt werden. Eine erste Analyse der Grabungsergebnisse lässt darauf schließen, dass dieses Haus durch ein Feuer im 6. Jahrhundert v. Chr. zerstört worden ist. Ziel der Arbeiten in diesem Bereich war es, einen guten Einblick in die verschiedenen Siedlungsepochen dieser Stadtanlage zu gewinnen. Die Mauern, die teilweise über zwei Meter hoch anstehen, sind in bemerkenswert gutem Zustand; Durchgänge in andere Räume sind intakt und begehbar. Auf dem Boden dieses Hauses konnte das Team eine eiserne Speerspitze, Schmuck und Keramik bergen. Aus dem Fußboden wurden Proben mit organischem Material entnommen, die später für eine C-14-Datierung genutzt werden sollen. Leider ergaben weiterführende Grabungen, dass dieses Haus auf felsigen Grund gebaut wurde und sich somit keine weiteren Siedlungsschichten darunter befanden, die weitere Hinweise bezüglich der Siedlungsgeschichte hätten liefern können.
Die Grabungen an der Befestigungslinie (bestehend aus einer bedeutenden Kasemattenmauer) ergaben, dass diese in verschiedenen Epochen erweitert und umgebaut worden war. In einer späteren Phase in der Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. wurde einer der Räume der Kasemattenmauer für die Installation eines großen Webstuhls genutzt: Dr. Rieckmann, Leiter des Archäologischen Instituts der Theologischen Hochschule, entdeckte hier 45 (!) größere Webgewichte aus Ton, dazu eine ganze Reihe von Arbeitssteinen aus Basalt. Weitere Grabungen entlang dieser Befestigung ergaben, dass das Fundament dieser bis zu drei Meter hohen Mauer in das 10. bzw. 9. Jahrhundert v. Chr. zu datieren ist. Die Erweiterung der Stadtanlage erfolgte wohl einige Jahrhunderte später, als sich diese moabitische Stadt zu einer der bedeutendsten Anlagen im 1. Jahrtausend v. Chr. entwickelte.
Neben zahlreichen Exkursionen in die unmittelbare Umgebung konnten wir die archäologischen Schätze Jordaniens in Amman, Jerash und in der Umgebung des Toten Meeres anschauen. Ein besonderes Erlebnis war der Besuch der nabatäischen Felsenstadt Petra. Der farbige Sandstein, die Kunst der antiken Steinmetze und schlicht die pure Natur der Wüste und der Felsen zogen uns in den Bann und ließen die Sehnsucht nach einer Rückkehr wachsen. Die Chancen dazu bieten sich 2019, wenn die nächste archäologische Exkursion geplant ist!
Friedbert Ninow
Abbildungen
Abb. 1: Khirbat al-Balua – Palastburg (Foto: Friedbert Ninow)
Abb. 2: Sonnenaufgang über Khirbat al-Balua (Foto: BRAP)
Abb. 3: Dr. Wernfried Rieckmann von der ThHF (Foto: Friedbert Ninow)
Abb. 4: Einige der Webgewichte aus der Kasemattenmauer (Foto: Friedbert Ninow)
Abb. 5: Grabungsarbeiten in der Hausanlage (Foto: BRAP)
Abb. 6: Vorratsgefäße im Hauskomplex (Foto: BRAP)
Abb. 7: Tierische Besucher (Foto: BRAP)
Abb. 8: Grabungsteam Kasemattenmauer mit Dr. Rieckmann und Martin Hartlapp (Foto: BRAP)
Abb. 9: Früh am Morgen fängt die Grabung an! (Foto: Friedbert Ninow)
© Theologische Hochschule Friedensau, veröffentlicht im DIALOG 2-2018