Als Moderatorin beim Gottesdienst
27. Jan. 2019 / Lernen & Studieren
Wenn der Campus leer ist, die Krokusse blühen und die Wildgänse zurückkehren, dann ist es ein wenig Frühling geworden. Der Februar bestand zu 90 % aus lernen, lernen lernen. Die Prüfungswoche rückt immer näher, und viele Studenten wohnen ab jetzt quasi in der Bibliothek. Zwischen pauken und Bücher wälzen, Hausarbeiten schreiben und Stammformen lernen, zwischen hier ein Lesenachweis und da eine Aufgabe übernehmen, ist kaum noch Zeit für andere Dinge. Die STUZ-Besuche werden immer seltener und bestehen meist nur aus einer Pizza und Geplauder darüber, wann und wie viel man noch lernen müsste und was man alles schon können sollte. In den Prüfungswochen und ein bisschen davor beginnt man, sich wirklich zu fragen, was man hier macht. Wieso um alles in der Welt übersetze ich zum 50. Mal diese Genitivus-Absolutus-Konstruktion falsch? Warum kann ich immer noch nicht Nein sagen? Und wie viele Jahre braucht es noch, bis mein Paket endlich ankommt?
Am 26. Januar 2019 ist eine Hope-Channel (sprich: Houp Tschännl)-Gottesdienstaufnahme und ich habe die Moderation zugesagt. Eigentlich habe ich genug um die Ohren, aber meine innere Stimme hat mal wieder zu schnell NICHT nachgedacht. Ich bereite mich also auf die Moderation vor. Eine Woche vorher werde ich gefragt, was ich denn anziehen werde, wegen des Headsets. Meine Vorstellung von taff-Moderatoren bis hin zu Tagesschau-Ladies beginnt langsam zu bröckeln. Solche Kleidung besitze ich nicht. Ich habe genau ein gutes, formales „Mein-Name-ist-Itje-und-ich-arbeite-im-Bereich-Verkauf-schön-dass-Sie-unseren-Staubsauer-kaufen-wollen“-Outfit. Aber auch das ist mir genau deshalb zuwider. Ich bin innerlich ein Kind, das weiß jeder, der mich kennt. Ich kann mich Stunden über die blühenden Kroküsse…Kroki… (was ist eigentlich die Mehrzahl von Krokus?!) ... Krokata? Kroken ... freuen, und mit Fünfjährigen verstehe ich mich meist besser als mit Gleichaltrigen. Professionell aussehen ist doof. Dann ist mein inneres Kind weg. Aber was tut man nicht alles für einen Fernseh-Auftritt?
Ich krame also meine schwarze Hose (keine Jeans) heraus und kombiniere sie (wie immer) mit meinem weißen (eigens für die Abi-Prüfungen gekauften) Oberteil. Naja, gut. Aber das reicht an Formalität. Ich ziehe zum besagten Tag meine Chucks an (für alle, die nicht wissen, was genau das ist: meine Mama sagt dazu „Volleyball-Schuhe“, die Schuhe, die John Travolta in „Grease“ trägt).
Wir setzen uns an den uns zugewiesenen Platz und die Spannung steigt immer mehr. Johannes Hartlapp hält die Predigt und sitzt neben mir. Die Kapelle ist mit drei Kameras ausgestattet, die jeden Ausrutscher, jeden Patzer und jede Hautunebenheit einfangen und ins Kabelfernsehen ausstrahlen wird. Ich gehe nach oben und beginne, meinen Text vorzutragen. Es geht um Frieden und wie Jesus ihn schafft. Ich habe meine Moderation vorher geübt und kann auch frei reden. Die Kameras starren mich regelrecht an, und als es vorbei ist, seufze ich auf. Meine Chucks muss ich in der Pause trotzdem wechseln. Ich bekomme viele Komplimente nach dem „Auftritt“. Da habe ich mich wohl richtig entschieden.
Am 1. Februar fand im Rahmen von Shabbat Shalom ein internationales Abendmahl statt. Auch dabei hatte ich einen Teil mitzuwirken. Es wurde ausschließlich Englisch gesprochen. Insgesamt war es sehr schön, mal außerhalb des Quartals-Abendmahls ein anderes zu erleben. Eines, auf das man nicht wirklich vorbereitet war. Jeder kennt den Sabbat des Abendmahls, vor dem die Füße extra geschrubbt werden. Nein. Dieses Ma(h)l vergesse ich es vollkommen und bin total perplex, als sich die geschlechtergetrennten Gruppen aufteilen, um sich gegenseitig in Demut die Füße zu waschen. Der Abend geht zu Ende und ich freue mich nachhaltig über ein besonderes Erlebnis!
Die Wochen vergehen und plötzlich und unerwartet gibt es schon wieder ein Fest der Liebe: Valentinstag. Ich hänge eine Postkarte an meine Tür (zu meinem eigenen Schutz sage ich jetzt mal nicht, was draufsteht…) und frage mich, ab wann die ganze Herzchen-Schokolade denn endlich billiger wird. Trotz leichter Abneigung gegen diesen Kommerztag ist es zudem ein ganz besonderer. Isabell (meine beste Freundin seit mittlerweile 15 Jahren) und Fabian heiraten standesamtlich. Stress wird groß geschrieben an diesem Tag! Das junge Ehepaar strahlt wie die Sonne, die am Himmel steht. Anekdoten werden beim Festessen erzählt, und nachdem ich allein bei dieser Gelegenheit mindestens drei Kilo zunehme, falle ich kugelrund und glücklich ins Bett.
Die nächsten Wochen werde ich ein wenig auf Achse sein: Berlin – Gera – Dresden – Köln.
Euch eine schöne vorlesungsfreie Zeit ? Bis zum nächsten Blog!
Eure Itje