Abschied nehmen
19. Aug. 2019 / Lernen & Studieren
Abschied nehmen ist schwer. Ich mag die Stimmung von „Abschied“ nicht. Dieses bittersüße Knistern in der Luft, jeder weiß, dass es gleich vorbei ist. Man kehrt (meistens) in den Alltag zurück und da ist es wohl so viel schlechter als dort, wo man gerade ist. Abschied nehmen von den Eltern, wenn man auszieht, von gewohnter Umgebung, von seinem „Kiez“. Von Freunden, von Haustieren, von der Lieblingseisdiele.
Ich habe das Gefühl, wir nehmen beinahe jeden Tag Abschied von irgendwas: Tschüss Zimmer, wenn ich zum Unterricht gehe. Tschüss warmes, gemütliches Bett, an das ich permanent in Griechisch denken musste. Tschüss Dozent, der sich meine wahrscheinlich teilnahmslose Miene anschauen musste. Tschüss Zeit, die ich irgendwann mal hatte, bevor ich studierte.
Gerade in diesem Sommer wurde viel Abschied genommen: Von den Teilnehmern des alljährlichen Deutschkurses, die nach einem Jahr intensiven Deutschlernens wieder in die Heimat fliegen. Über ein Jahr kann man schnell Freunde gewinnen, und so ist es jedes Jahr eine Tortur, sie wieder gehen zu lassen. Studenten graduieren, ziehen weg, und es wirkt so, als ob niemand jemals wieder nach Friedensau kommen würde. Bei einer so kleinen Studierendenschaft fällt es auf, wenn fünf fehlen!
Es ist Anfang August und ich lasse mich von der schön wärmenden Sonne wecken. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es kurz nach 10 ist. Blöd, dabei wollte ich doch um 10 in der Bib sein und Leistungsnachweise machen. Naja, kann ich eben erst um 11 hin. Aber lohnt das überhaupt? Eine Stunde und dann schon Mittag? Nach weiteren 10 Minuten inneren Monologs entscheide ich mich, zu Mittag mein Zimmer zu verlassen. In der Mensa essen genau vier Studenten plus eine studentische Hilfskraft. Das sind alle, die in Friedensau gerade unterwegs sind. Viele sind zu Hause, einige im Urlaub und ein paar Mutige halten die Stellung hier.
Seit Ende Juli hört man schon ab 7 Uhr Baugeräusche. Die Arena ist doch ein bisschen zu weit weg, als dass der Lärm von da kommen könnte. Es klingt sehr nah … Vielleicht wird der Fußballplatz erneuert? Als ich ein Paket aus dem Ladencafé abhole, trifft es mich wie ein Blitz. Der Naturteich! Ja, davon habe ich schon gehört, nur hatte ich definitiv nicht damit gerechnet, dass es auch umgesetzt würde. Am 8. August kommt die Schreckensnachricht: Das „Freibad“ in Friedensau soll verabschiedet werden. Was? Wie verabschiedet? Die Nachricht macht die Runde und am Ende steht fest: Der Pool (eigentlich Teil des über hundert Jahre alten „Luftbades“) kommt weg.
Wie in jeder dramatischen Fernsehshow muss jetzt natürlich ein schmalziger Rückblick folgen:
1901 als Luft-und Freibad für die gute Gesundheit erbaut (lasst euch sagen liebe Leute, das Wasser hatte nie Badetemperatur, aber ich habe gehört, dass die niedrigen Temperaturen gut für den Kreislauf sind). Mitarbeiter und Gäste der Hochschule erzählen ihre Geschichte zum „Pool“. Darin schwimmen gelernt, darin „Eis-gebadet“, darin getauft worden ... Tja. Nun hieß es am 11. August 2019 endgültig Abschied nehmen, bevor am nächsten Morgen die Bagger anrücken.
Auch ich nehme mit diesem Eintrag Abschied. Abschied vom Blog und von euch, meinen Lesern. Danke für eure Unterstützung und eure Lesebereitschaft. Ein neuer Blog-Schreiber wird folgen. Wenn ihr dennoch nicht genug von mir bekommt, dann ist das hier meine Adresse … nein, nein, Spaß. Ich bleibe professionell und verweise euch ganz ohne Hintergedanken auf den neuen Newsletter „Unser Friedensau“, an dem eventuell Leute mitgearbeitet haben, die jetzt Abschied nehmen …
In diesem Sinne wünsche ich allen demnächst Graduierenden viel Glück (demnächst) ohne Friedensau und allen Lesern viel Glück ohne mich.
Eure Itje 🙂